Vielen Dank an Vincent – für diesen Gastbeitrag wie auch fürs Meistern der Kampagne über anderthalb Jahre!
Wie zu erwarten, dreht sich im folgenden Text alles um die 2009er Neuauflage der 1999er Ausgabe der Phileasson Saga (im folgenden PS). Im Grunde geht es in dieser epischen Kampagne darum, den erfahrenen Seefahrer Asleif ‚Foggwulf‘ Phileasson auf einer Regatta zu begleiten. Während dieser Regatta gilt es zwölf verschieden Aufgaben zu erfüllen. Klingt, als wäre es zu bewerkstelligen, wäre da nicht der konkurrierende Kapitän und Phileassons Kindheitsfeind Beorn ‚der Blender‘. Denn Beorn und Phileasson wollen ihre Streitigkeiten, wer der bessere Kapitän sei, endlich beilegen und segeln in diesem Abenteurband nicht einfach nur um die Wette – es steht nichts Geringeres als der Titel „König der Meere“ auf dem Spiel.

Quelle: Wiki Aventurica
Inhaltlich sind also die Weichen auf epische Kampagne gestellt. Als interessant gestaltet sich schon im Vorfeld die temporäre Diskrepanz der aktuellen 4.1er DSA Publikationen und der 2009er PS: Im irdischen Jahr der Herausgabe befand man sich auf Dere im Jahr 1032, jedoch beginnt die Kampagne im Winter 1007. Das sorgt für einige Komplikationen. So sind 1007 beispielsweise die Golgariten noch nicht anerkannt und Drakonia noch verhüllt. Außerdem sind einige Zauberformeln zu dieser Zeit noch nicht (wieder)entdeckt. Hierbei schlägt sich die PS ganz gut, beinhaltet sie doch eine umfangreiche Liste der Zauber, die es noch nicht gibt. Dennoch ist anzumerken, dass eben nur darauf hingewiesen wird, man möge seine Magier bei etwaigem Wegfall eines Zauber mit etwas adäquaten Ausstatten, Sonderfertigkeiten inbegriffen. Vorschläge gibt es keine. Und noch schlimmer: Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass die thorwalsche Runenmagie noch nicht wiedergefunden wurde (1020). Dabei sehe ich ein gravierendes Versäumnis, da es keineswegs abwegig ist, dass sich bei einer der beiden Schiffsmannschaften ein Magier aus Olport oder Thorwal befindet. Außerdem wird noch explizit angemerkt, dass Olport noch Mitglied der Grauen Gilde sei. Warum die Angabe zu den Vitkari fehlt, erscheint mir rätselhaft.
Ansonsten ermöglicht das Setting für so gut wie alle Charaktere und Konzepte einen relativ einfach einstieg. Nur Helden müssen es sein. Hardliner, bewusst schwach ausgelegte Helden, Achaz oder Orks sind nicht gestattet. Inwiefern Proto- oder Nicht-Helden von Asleif mitgenommen werden, wird auch nicht thematisiert. Nachdem man aber nicht mit „Stufe1“-Charakteren versuchen sollte, die Kampagne zu spielen, muss man dem SL eine gute Story vorlegen oder eben einen schon gespielten Charakter auswählen. Auch hier gibt die PS einige Hinweise, was man davor bereits spielen könnte.
Ist der Einstieg mit den passenden Helden geschafft, lässt sich schon während der ersten beiden Aufgaben ein Gruppengefüge konstruieren, das von Bestand sein kann. Nachdem man viel reist, viel zusammen erlebt, irgendwann ein eingeschworener Haufen wird und jeder seine Fähigkeiten für die Gruppe spezialisiert, sehe ich ein ernsthaftes Problem der ganzen PS darin, dass es im weiteren Verlauf unrealistisch wirkt, ständig neue Leute in diese Gruppe aufzunehmen. Deshalb sollte man im Zuge der Kampagne den Fall der Fälle besprechen: Was tun, wenn ein lange geliebter und gespielter Held verstirbt? Es werden dem SL zwar einige interessante NSCs an die Hand gegeben, aber es ist durchaus verständlich, wenn ein Spieler diese vom SL schon „gebrandmarkten“ NSC nicht übernehmen will. Und selbst wenn sie übernommen werden: Es besteht die Gefahr, dass die NSCs danach im Vergleich leicht schizophren wirken. Die PS schlägt vor, einige wichtige NSCs als Zweitcharaktere von vornherein zu übernehmen. Auch das sehe ich kritisch, weil entweder die Zweitcharaktere drohen, zum Wohle des echten Helden auf das Abstellgleis gestellt zu werden, beziehungsweise sich die Spieler im Laufe der Geschehnisse weder mit dem einen noch mit dem anderen Charakter vernünftig identifizieren. Jedenfalls hat das Setting, wenn man es logisch und menschlich angeht, definitiv seine Tücken. Wenigstens wird es für den SL wegen der Fülle der NSCs keineswegs langweilig.
Zur Illustration und der SL Unterstützung innerhalb der einzelnen Teile. Anfangs häufen sich die sehr anschaulichen Bilder, doch die Frequenz nimmt im Verlauf des Buches ab. An einigen Stellen wundert man sich gar über die Inkonsequenz der Illustratoren. Die Unterstützung des SL durch die PS ist dabei schon strukturierter. Am Anfang von jedem Kapitel finden sich immer topikal ähnliche, aber auf das Kapitel abgestimmte Abschnitte und Infokästen. Auch die beinhalteten Querverweise lassen sich mit Hilfe einer kleinen DSA-Bibliothek gut nachvollziehen.
Die Ausarbeitung der NSCs und ihre Konstellation innerhalb des Plots in den Anhängen der einzelnen Teile empfinde ich als ausreichend. Wobei man sich bei jeglicher DSA Publikation fragt, mit welchem Recht sich jemand beispielsweise „Schwertmeister“ nennt, obwohl er, in puren Zahlen gesprochen, einen geringeren Wert in dem Talent hat, als ein erfahrener Söldner mit 2.500 AP. Aber das nur am Rande.
Alles in allem erscheint die PS als eine solide Neuauflage eines alten Klassikers. Und selbst wenn die Aufbereitung und Umsetzung einige Macken hat, so wird man an einem Spieltisch wohl wegen der packenden und einfach guten Handlung schnell Abhilfe schaffen bei etwaigen Problemen. Oder anders herum ausgedrückt: Die PS greift dem SL zwar unter die Arme lässt aber viel Platz zum improvisieren. Je nach Art des SL und auch je nach Art der Gruppe kann das gut sein oder eben nicht.
Wir hatten während unserer Saga zwar auch ein paar Längen, dem Konzept „epische Kampagne“ geschuldet, aber alles in allem empfand ich als SL diese Saga inhaltlich ergreifender, spitzfindiger und für ein Fantasy RPG als angenehmer als die G7 oder das „Jahr des Feuers“.
(Gastbeitrag von Vincent Steinbach)